Aristide Briand wird am 28. März 1862 in Nantes geboren, in einer Familie von ursprünglich vom Land stammenden Cafebesitzern. Nach einem Studium der Rechte lässt er sich im Anwaltsbezirk Saint-Nazaire nieder, ehe er nach Paris geht, wo er bei der "Lanterne" arbeitet, der populistischen und antiklerikal eingestellten Zeitung Eugène Mayers. An der Seite von Jean Jaurès bemüht er sich darum, die streitenden Strömungen innerhalb der sozialistischen Bewegung zusammenzuhalten. Im Jahr 1902 wird er zum Abgeordneten gewählt und nimmt immer mehr politische Ämter an. Als brillanter Redner wird er beim Gesetzesprojekt zur Trennung zwischen Kirche und Staat, das 1905 verabschiedet wird, zum Kommissionssprecher ernannt. 1906 wird er Minister für Unterrichtswesen und Kultus. Er folgt Georges Clemenceau im Jahr 1909 als Ministerpräsident nach und setzt sich insbesondere für die Verabschiedung des Gesetzes über die Renten für Arbeiter und Landwirte ein (April 1910).
Am Vorabend des Ersten Weltkriegs bemüht sich Aristide Briand - obgleich er die Verlängerung des Militärdienstes befürwortet - um eine friedliche Lösung des Konfliktes. Als der Krieg dennoch erklärt wird, tritt er dem Kabinet des Oppositionsbündnisses "Union Sacrée" als Justizminister und stellvertretender Ministerpräsident bei und unterstützt die Kommandoführung während der Marne-Schlacht. Als Regierungschef und Außenminister spielt er in den Jahren 1915 bis 1917 eine wichtige Rolle, insbesondere bei der Organisation der Saloniki-Expedition und bei der Koordination der Militär- und Wirtschaftsmaßnahmen mit den Alliierten. Nach vier Jahren Krieg ist Europa ausgeblutet. Die ehemaligen Kriegführenden, die sich hoch verschuldet haben, um ihre Versorgung sicherzustellen, gehen äußerst geschwächt aus dem Konflikt hervor. In Frankreich sind die reichsten und industrialisiertesten Regionen verwüstet. Mit nahezu eineinhalb Millionen Toten und über einer Million Invaliden ist das Land an seinem Lebensnerv getroffen. Die Kriegsrenten und der Wiederaufbau belasten die Staatskasse noch mehr. Der am 28. Juni 1919 in Versaille unterzeichnete Friedensvertrag mit Deutschland verpflichtet Deutschland zu Reparationszahlungen für die Kriegsschäden. Die heikle Frage der Bezahlung dieser Reparationsleistungen ist für die nächsten etwa zehn Jahre vorherrschendes Thema in den deutsch-französischen Beziehungen und sorgt auch unter den Alliierten selbst für Divergenzen.
Bei Kriegsausgang ist Aristide Briand als Anhänger einer strikten Umsetzung des Versailler Vertrags einer von denen, die Deutschland zur Zahlung von Reparationen verpflichten wollen. Er gibt diese unerbittliche Haltung jedoch rasch auf und bekehrt sich im Rahmen des Völkerbundes zu einer Friedenspolitik, bei der er sich für die Aussöhnung mit Deutschland einsetzt. Anlässlich der Konferenz von Cannes im Januar 1922 zeigt er sich offen für den Vorschlag eines Schuldenplans für die deutsche Kriegsschuld als Gegenleistung für eine Garantie der französischen Grenzen. Da er von Staatspräsident Alexandre Millerand keine Unterstützung mehr erhält, reicht er seinen Rücktritt ein. 1924 geht er als Abgesandter Frankreichs zum Völkerbund und bemüht sich dort um eine Politik der Aussöhnung, ganz im Bewusstsein dessen dass eine deutsch-französische Annäherung nur unter gewissen Zugeständnissen erfolgen kann. Diese Politik drückt sich aus in den Worten "Innerer Friede, politischer und sozialer Friede werden meiner Meinung nach vom ganzen Land sehnlichst herbeigewünscht....In einem Land wie Frankreich, dass so sehr unter dem Krieg gelitten hat und sich seit dem Waffenstillstand mit unzähligen Herausforderungen und Provokationen konfrontiert sah, welche Ungeduld durchaus rechtfertigen würden, erfordert der Wunsch nach Frieden außerordentlich viel Geduld." Im Jahr 1925 wird er erneut Außenminister und setztt seine Politik der Aussöhnung mit Deutschland fort, als einzige Möglichkeit für dauerhaften Frieden in Europa. Er nähert sich seinem deutschen Amtskollegen Gustav Stresemann an, auch er ein Anhänger der Aussöhnung. Anlässlich der Konferenz von Locarno, auf der die Abgeordneten Deutschlands, Belgiens, Italiens, Frankreichs und Großbritanniens zusammenkommen, unterzeichnet er am 16. Oktober 1925 den Vertrag, der die Grenzen Frankreichs und Belgiens zu Deutschland garantiert und einen gegenseitigen Hilfspakt besiegelt. Nach Locarno unterstützt er die deutsche Kandidatur beim Völkerbund, der im folgenden Jahr stattgegeben wird. Im Jahr 1926 erhält er gemeinsam mit Gustav Stresemann den Friedensnobelpreis.
Die Verträge von Locarno und die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund - von manch einem als Beginn einer neuen Ära und Ende des deutsch-französischen Antagonismus' gefeiert - stellen für Aristide Briand jedoch nur einen ersten Schritt dar. Die Tatsache, dass die USA nicht Mitglied des Völkerbunds sind, schmälert außerdem die Bedeutung dieser Ereignisse. Im Jahr 1927 setzt er sich daher dafür ein, die Vereinigten Staaten zur Aufgabe ihrer Isolationismuspolitik zu bewegen. Sein Appell an die "amerikanische Nation" wird von mächtigen Pazifistenverbänden unterstützt. Am 27. August 1928 brandmarkt der "Briand-Kellogg-Pakt" - so benannt nach dem amerikanischen Staatssekretär, der Briands Verhandlungspartner war - Krieg als "ungesetzlich": "Artikel 1: Die Hohen Vertragschließenden Parteien erklären feierlich im Namen ihrer Völker, daß sie den Krieg als Mittel für die Lösung internationaler Streitfälle verurteilen und auf ihn als Werkzeug nationaler Politik in ihren gegenseitigen Beziehungen verzichten. Artikel 2: Die Hohen Vertragschließenden Parteien vereinbaren, daß die Regelung und Entscheidung aller Streitigkeiten oder Konflikte, die zwischen ihnen entstehen könnten, welcher Art oder welchen Ursprungs sie auch sein mögen, niemals anders als durch friedliche Mittel angestrebt werden soll." Obgleich dieser Pakt von siebenundfünfzig Ländern - darunter insbesondere Deutschland, Japan und die Sowjetunion - ratifiziert wird, hat er doch nur moralischen Wert, da er die Frage der im Falle einer Nichtbeachtung der Bestimmungen zu verhängenden Sanktionen offen lässt. Die Vereinigten Staaten, die sich zu dieser Zeit in einer Phase des wirtschaftlichen Wohlstands befinden, zeigen sich so auch zurückhaltend hinsichtlich ihrer Haltung im Falle eines möglichen europäischen Konfliktes.
Aristide Briand schlägt nunmehr den Weg einer neuen, entschieden europäischen Politik ein.Im September 1929 greift er in einer Diskussion in Genf die Idee des Grafen Coudenhove-Kalergi, eines österreichischen Diplomaten und Begründers der Pan-Europa-Bewegung, auf und schlägt die Gründung einer regionalen Union vor, einer "europäischen Föderation", die vor allem im Wirtschaftsbereich Kompetenz erhalten soll und die nationalen Souveränitäten nicht beeinträchtigt. Dieser Vorschlag wird begeistert aufgenommen und die Delegierten aus siebenundzwanzig europäischen Staaten beauftragen ihn mit der Abfassung eines Memorandums zu diesem Thema. Dieses Memorandum wird ihnen im Mai 1930 vorgelegt. Aristide Briand entwickelt darin sein Projekt. Diese Institution, die sich unter das Dach des Völkerbundes eingliedern soll, soll aus einer Konferenz der Europäischen Union bestehen, einem repräsentativen Organ, in dem die Vertreter aller europäischen Mitgliedsregierungen des Völkerbundes versammelt sind, sowie aus einem ständigen Politikausschuss, dem Exekutivorgan, dem die Mitgliedsstaaten abwechselnd vorsitzen und aus einem Sekretariat. Eines der Hauptziele soll "die Errichtung eines gemeinsamen Marktes sein, um den Menschen im gesamten Gebiet der europäischen Gemeinschaft größtmöglichen Wohlstand zu sichern."
Das Memorandum löst nicht dieselbe Begeisterung aus wie seine Rede vor dem Völkerbund. In Frankreich und der übrigen Welt stößt das Handeln Aristide Briands auf immer stärkeren Widerstand. Als größtes Hindernis erweist sich das anhaltende nationalistische Denken. Wenngleich der Grundsatz einer Zusammenarbeit nicht in Frage gestellt wird, so erregt die Vorstellung einer umfassenden und sowohl im politischen als auch im wirtschaftlichen Bereich omnipotenten Europäischen Union doch Furcht. Besonders der politische Aspekt des Projekts mit den angedachten "föderalen Verbindungen" sorgt für Mißtrauen. Am 23. September 1930 wird eine Untersuchungskommission mit Aristide Briand als Vorsitzendem eingesetzt. Sie ist damit beauftragt, die Möglichkeiten einer eventuellen Zusammenarbeit in Europa zu untersuchen, kommt jedoch nicht wirklich zu Ergebnissen. . Aristide Briand, der "Pilger des Friedens", hat zu keinem Zeitpunkt in seiner politischen Laufbahn aufgehört, die Gelegenheiten für Frieden in Europa zu mehren. Sein Projekt einer Europäischen Union hielt jedoch der Wirtschaftskrise und den aufkommenden Diktaturen leider nicht Stand. Aristide Briand stirbt am 7. März 1932.